E U R O P A   Z I E H T   B L A N K

Jeder zweite Serbe hat eine Waffe, in Rumänien kommt auf 100 Einwohner nur ein Schießeisen. Und in Italien werden EU-weit die meisten Morde mit Schusswaffen begangen.

Nach Angaben der Brüsseler Kommission gibt es in der EU schätzungsweise 80 Millionen Schusswaffen für den zivilen Gebrauch, die sich in rechtmäßigem Besitz befinden. Gleichzeitig ist der Verbleib einer halben Million Schusswaffen ungeklärt, die in der EU verloren gegangen oder gestohlen worden sind. Die Zahl steigt kontinuierlich, besonders in Frankreich werden immer mehr Waffen als gestohlen oder verloren registriert.

 

Zwar hat jedes EU-Mitglied eigene Waffengesetze, die Union hat bei allerdings für einen einheitlichen Grundstandard gesorgt. Dabei waren zwei Regelungen wesentlich: 2007 wurde das Mindestalter für den Besitz von Waffen auf 18 erhöht – die Regelung war bis 2010 von den Mitgliedsstaaten umzusetzen. Bis dahin blockierte Finnland die Initiative. Nach einem Amoklauf 2007 in einer Schule hat die finnische Regierung jedoch zugestimmt. Außerdem müssen mit Ende 2014 auch Waffen der Kategorie C  und D – darunter fallen verschiedene Arten von Büchsen und Flinten – beim Händler gemeldet und in einem Register erfasst werden. 2015 kündigte die EU-Kommission erneut an, das Waffenrecht in Europa vereinheitlichen und verschärfen zu wollen. Auch das dürfte ein Grund für den Anstieg der Waffen-Verkaufszahlen sein: Hamsterkäufe der aufmunitionierten Art.

 

Sportschütze vom Verein Kleinkaliberschuetzen Berlin, KKS, trainiert mit einer Grosskaliberpistole

 

Die meisten Schusswaffen soll es innerhalb Europas – nach offiziellen Angaben – in Serbien geben, wo auf 100 Einwohner 58,2 Waffen gelistet sind. Danach folgen die Schweiz mit 45,7 Waffen pro 100 Einwohner und Finnland mit 43,3. Österreich (30,4) und Deutschland (30,3) liegen im Mittelfeld. Wenig Schusswaffen gibt es in Großbritannien (6,3) und den Niederlanden (3,9), am schwächsten bewaffnet sind aber Litauen und Rumänien mit je 0,7 Schusswaffen pro 100 Einwohner. Die liberalsten Waffengesetze haben Finnland, die Schweiz und Österreich (siehe Slideshow).

 

Oft wird die Frage gestellt, ob Länder mit höherer Waffendichte sicherer seien. Diese Relation von Waffen und Unfällen bzw. Straftaten wurde von US-amerikanischen Forschern 2013 untersucht. Ergebnis: Ein hohes Waffenaufkommen in einem Land sei mit einem Anstieg von Todesopfern durch Waffen-miss- oder -gebrauch verbunden. Das gelte insbesondere für die USA mit der höchsten Dichte an Faustfeuerwaffen.

Ein rezenter EU-Kommissionsbericht zeigt, dass jenes Land mit dem höchsten Waffenaufkommen nicht automatisch die meisten Straftaten mit Schusswaffen zu verzeichnen hat. So ist Italien das Land in der EU, in dem die meisten Morde mit Schusswaffen begangen werden. Italien hat jedoch nicht die meisten Waffen pro Kopf in Europa.

 

Im Harvard Journal of Law & Public Policy heißt es gar: “Whether causative or not, the consistent international pattern is that more guns equal less murder and other violent crime.” Es kommt also weniger auf die Zahl der Waffen an, als auf den gesellschaftlichen Umgang damit.

 

E I N Z E L N E   L Ä N D E R   I N   E U R O P A

Die liberalsten Waffengesetze haben Finnland, die Schweiz und Österreich.

 

 

österreich

schweiz

deutschland

norwegen

serbien

FINNLAND

Waffen sind in Österreich in vier Kategorien eingeteilt. Der Besitz von Waffen der Kategorie A (Pumpguns, Kriegsmaterial) ist grundsätzlich verboten. Waffen der Kategorie B (Pistolen, Revolver) können nur mit Waffenbesitzkarte, Waffenpass und unter Nachweis eines besonderen Bedürfnisses (behördliche Bewilligung) für den Besitz erworben werden. Waffen der Kategorie C und D sind frei käuflich, aber nur mit Waffenpass bzw. Jagdkarte auch zu verwenden. (Details: „Waffentrends in Österreich“)

Jeder straffreie Bürger kann Waffen besitzen und Munition erwerben, wenn der Besitz nicht explizit reglementiert wird. Außerdem dürfen Soldaten ihre Waffen persönlich verwahren, nach dem Militärdienst aber nur mehr mit Waffenschein. 2010 wurde ein Register zur Erfassung aller Waffenkäufe eingeführt. Eine weitere Verschärfung des Waffenrechts lehnte das Volk 2011 ab. In der Schweiz gibt es bei rund acht Millionen Einwohnern etwa 2,5 Millionen legale Waffen, 1,2 Millionen davon kommen vom Militär.

Aufgrund des Amoklaufes von Erfurt 2002, bei dem ein 19-jähriger Mann 16 Menschen tötete, wurde die Gesetzeslage überarbeitet. Seitdem liegt das Mindestalter für einen Waffenkauf grundsätzlich bei 21 Jahren. Pumpguns mit Pistolengriff und Spring-, Fall-, Faust- und Butterflymesser wurden verboten. Personen unter 25 Jahren müssen beim Kauf einer Schusswaffe ein medizinisch-psychologisches Zeugnis vorlegen. Außerdem muss für den Erwerb einer Schreckschusswaffe ein Waffenschein vorgelegt werden.

Hauptsächlich werden in Norwegen Waffen für Sport oder die Jagd privat angeschafft. Um eine Besitzlizenz zu erhalten, muss bei Jagdwaffen eine Jagdlizenz vorgezeigt und ein Kurs sowie eine Prüfung absolviert werden. Außerdem ist eine Registrierung als Mitglied in einem Jagdregister verpflichtend. Bei Sportwaffen muss zusätzlich zu einem Kurs auch in einem Verein ein halbes Jahr lang mit einer Waffe des Vereins trainiert werden, bevor man für eine private Waffe eine Besitzlizenz beantragen kann.

Serbien hat im Vergleich zum Rest Europas ein sehr liberales Waffengesetz. Gewehre und Flinten sind für alle Bürger erlaubt. Handfeuerwaffen sind unter gewissen Voraussetzungen gestattet: Generell ist der Besitz ab 18 mit einer Genehmigung legal. Für eine solche muss begründet werden, weshalb man eine Waffe benötigt. Außerdem wird die Motivation der Person überprüft. Menschen mit geistiger Behinderung oder einer kriminellen Vergangenheit erhalten keine Genehmigung.

Auf fünf Millionen Bürger sind 1,5 Millionen private Schusswaffen registriert: Bei den Nordeuropäern mit ihrer starken Jagdtradition konnten auch 15-Jährige legal Waffen erwerben, wenn sie einen „triftigen Grund“ wie die Mitgliedschaft in einem Schützenverein angaben. Nach vier Amokläufen junger Männer mit 33 Toten seit dem Jahr 2000 sind die Altersgrenzen angehoben worden. Auch die Zugangsvoraussetzungen zu Waffenlizenzen wurden verschärft. Jene gelten fünf Jahre und müssen dann neu beantragt werden.